Frau zu sein ist schwer.
Eine Geschichte von mir aus den neunziger Jahren.
Das Jahr neigte sich seinem Ende
zu. Es war ein hartes Jahr gewesen für eine geschiedene allein stehende Frau
wie mich. Die Ereignisse überstürzten sich und die ohnehin unsichere Zukunft
wurde noch unsicherer.
Meine Chefin ließ sich scheiden und
konnte mir mein Gehalt nicht mehr regelmäßig bezahlen. Mein Sohn schwänzte die
Schule und mein Bruder, der mit mir zusammen in einem Haus wohnte, war
ernsthaft krank geworden und würde nie wieder arbeiten können. Er befand sich
im Moment in der Rehabilitationsklinik und keiner wusste, wie es hier
weitergehen sollte.
Mein Freund, ein Busfahrer, der als
ich ihn kennen lernte 56 Jahre alt war, wurde mit jeder Woche, in dem er mir
sein wirkliches Alter gestand, ein Jahr älter. Er war 65 Jahre alt als mich von
ihm trennte. Trotz dieses Alters war er nicht im Stande gewesen ein komplettes
Wochenende mit mir zu verbringen ohne mir ständig Tipps für das Kennen lernen
eines jüngeren Mannes zu geben. Er selbst hatte mir angekündigt, dass er bald
eine Anzeige aufgeben werde, um sich eine Frau in seinem Alter zu suchen.
Draußen herrschte bittere Kälte.
Die Wasserleitung im Bad unseres alten Hauses war eingefroren und der antike
Ölofen brannte nicht richtig. Abends packte ich mich mit zwei Schlafanzügen ins
Bett, während mein „alter Freund“ gemütlich in seiner Heimsauna saß und die
Zipperlein, die sein fortgeschrittenes Alter mit sich brachte, pflegte.
An der Tür meines Schlafzimmers
hatte ich einen Spruch befestigt, an den ich nun immer denken musste: „Frau zu
sein ist schwer. Man muss denken wie ein Mann, sich geben wie eine Dame,
aussehen wie ein junges Mädchen und arbeiten wie ein Pferd.“
Ich versuchte mich daran zu halten.
Nur das mit der jungen Dame und dem Mädchen gelang mir nicht so ganz. Kurz vor
Weihnachten, als ich mich wie jeden Tag für die Arbeit fertigmachte und einen
Blick aus dem Fenster warf, stand wie schon so oft, ein alter weißer Mercedes
vor dem Haus. Der Fahrer war ein ebenfalls älterer Mann, der aus welchem Grund
auch immer, nicht von mir lassen konnte. Ich hatte ihn in einer Wirtschaft
kennen gelernt und er hatte mich einmal nach Hause gebracht. Er rief mich immer
wieder an oder tauchte ungebeten auf. Ich vermutete, seine Frau hatte zu
gewissen Zeiten keine Kontrolle über ihn
Ich habe mich bestimmt nicht gegeben wie eine
Dame. Aber in meinem durchfrorenen Gehirn machte es „klick“ und ich beschloss
dem Alten da unten zu erklären, dass er zwar nett, aber einfach zu alt für mich
sei. Wir erlebten einen netten Abend zusammen und trennten uns in Frieden. Er
war eben doch ein vernünftiger Mann. Schön, dass es das auch noch gab.
Natürlich hasste ich im Moment alle
Männer. „Du armes Ding, du hast nur Pech, ich versuche gar nicht einen Mann
kennen zulernen wenn ich deine Geschichte höre“, hatte meine ebenfalls
geschiedene Freundin zu mir gesagt. Es war nicht meine Absicht, als
abschreckendes Beispiel zu dienen, und doch war es so.
Zwischen Putzen, Wasserleitung
auftauen Öl holen arbeiten und Rachegedanken wälzen beschloss ich, die
Bekanntschaftsanzeigen in der Zeitung genau zu studieren.
Einige Tage später fand ich in der
Zeitung tatsächlich etwas Passendes. Diese Anzeige konnte von meinem so
angeschlagenen kranken Exfreund sein. Ein 61 jähriger... wie alt war er nun
wirklich? ...Suchte eine sportl. eleg. Frau.
Mit einem recht dummen Text
antwortete ich auf die für mein Verständnis recht dumme Anzeige. Ich schrieb,
ich stehe als 43 Jährige noch mitten im Leben, aber die Zeit gehe doch schnell
und nicht spurlos vorbei. Da er selbst junggebl. war, schrieb ich, ich sei auch
junggebl. genug um mich bei einem älteren Mann zu melden, der ein gemütl. Heim,
u. v. a. schätzte. Sollte er sich bei mir melden, würde ich sagen,
„Na so ein Pech, mich kennst du schon. Ich bin immer noch nicht älter
geworden“. Dann würde ich ihm ein paar Tipps für das Kennen lernen einer älteren
Frau geben...
Mir kam keinen Augenblick der
Gedanke, dass diese Anzeige nicht vom Busfahrer sein könnte. Es passte alles
hervorragend.
Ich gab keinen Absender an. Der
Alte wusste ja wo ich wohne.
Meine Freundin hatte in der
Zwischenzeit eine Bekanntschaftsanzeige aufgegeben. Mein Beispiel war
vielleicht doch nicht so abschreckend. Sie berichtete mir regelmäßig von den
Männern, mir denen sie sich traf. Der eine war zu gescheit und der andere war
zu dumm. Sie selbst war zu dick.
Als ich eines Abends heimkam
klingelte das Telefon. Ein mir unbekannter Mann mit einem mir unbekannten Namen
meldete sich. Er sagte, er habe sich lange überlegt ob er mich anrufen
solle. Mein Brief sei reichlich komisch gewesen und eine Adresse hätte ich auch
nicht angegeben.
Der Unbekannte stellte sich als Altenpfleger,
gewesener Masseur und Geflügelzüchter vor. Er war 61 Jahre alt. „Suchen sie
wirklich jemand?“ Fragte er dann. Ich antwortete mit einem undeutlichen
„Nein..äh ja...ich weiß auch nicht.“ „Ich habe 65 Antworten auf meine Anzeige
bekommen. Aber Sie sind die jüngste Frau, die mir geschrieben hat.“ Ich
beantwortete ihm ein paar Fragen, denn ich hatte nicht den Mut, das ganze
Missverständnis sofort aufzuklären.
Als das Telefongespräch beendet
war, setzte ich mich in meiner kalten Küche an den Tisch um in Ruhe
nachzudenken. Aber das gelang mir nicht, denn ein unbezwingbarer Lachreiz stieg
in mir auf und schüttelte mich minutenlang. Einer halbe Stunde danach hing ich
immer noch keuchend über dem Tisch und schlug mit den Fäusten darauf. Es war
gut, dass mich außer dem Meerschweinchen, das den Kopf neugierig aus seinem Käfig
herausstreckte, niemand sah. Dann rief ich meine Mutter an und erzählte ihr die
Geschichte. Nach einer weiteren halben Stunde ununterbrochenen Lachens konnte
mich nur ein Viertel Liter Glühwein etwas beruhigen. Es war wie im
Bauerntheater. Doch dieses Stück spielte das Leben selbst.
Zwei Tage später kam der
Geflügelzüchtende Altenpflegemasseur zu mir. Die Neugier hatte ihn getrieben.
Zuerst wollte er nach einer Stunde wieder gehen, entschloss sich aber dann,
mich zum Essen einzuladen. Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen. Abends
begleitete er mich nach Hause. Auch dort konnte ich nicht ermitteln, was er von
einer juggebl. sportl. eleg. 43 Jährigen wie mir wollte. Ich legte eine CD auf,
damit die langen Gesprächspausen ausgefüllt waren, und er tanzte mit mir.
Plötzlich klingelte das Telefon. Es war nicht mein ehemaliger 65 Jähriger
junggebl. Freund, der anrief. Nein, es war der 61 jährige junggebl. Taxifahrer,
dem ich vor einiger Zeit erklärt hatte, er sei zu alt für mich. Er war aus
seinem Urlaub zurückgekommen und wollte sich doch wieder mit mir treffen. Da
stand ich nun, als junggebl. Frau mittleren Alters und hatte zwei 61 jährige
Männer auf meiner Abschussliste. Dabei wollte ich mich doch nur dem Busfahrer
eins auswischen..
Nach dem Motto „lieber einen Mann
als gar keinen Ärger wollte ich nicht handeln.“ Die Stunde der Wahrheit war
gekommen. Ich erklärte dem Taxifahrer, dass er zu spät komme. Den Geflügel züchtenden Altenpflegemasseur klärte ich
anschließend über die Hintergründe der Anzeige auf.
Er war nicht beeindruckt. Gerne hätte er mit mir einen netten Abend erlebt, dessen Ende nicht abzusehen
war. Ich vermutete, er stellte sich das Ende bei einem gemeinsamen Frühstück im
Bett, hier bei mir vor. Irgendwann gab er aber auf und fuhr nach
Hause.
Seufzend setzte ich mich auf meine,
von allen Männern verlassene Couch.
Ich dachte daran, dass ich am
nächsten Tag wieder mit dem Bus zur Arbeit fahren musste. Meine einzige
Hoffnung war, dass der junggebl. 65 jährige Busfahrer den morgigen Tag in
seiner Sauna verbringen würde.
Denn das alles
war selbst für mich, als jueggebl. Frau zuviel gewesen.
Ich war noch niemals in New York..meine Biografie
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