Als ich Alleinerziehend war, las ich in einer Informationszeitschrift
der Kirche folgendes:
Aufgaben auf diakonischem Gebiet-
Arbeit mit besonderen Gruppen:
Behinderten, Nichtsesshaften,
Ausländern, Arbeitslosen, Alleinerziehenden. Diese Arbeit ist auf Fachkräfte
angewiesen.
Ja, ich war ebenfalls
alleinerziehend, habe aber schon vor der Scheidung die Kinder alleine erzogen.
Was versteht man eigentlich darunter? Warum sieht die Kirche Alleinerziehende
als besondere Gruppe an? Auch wenn der Vater der Kinder nicht bei uns wohnte,
so erzog ich meine Kinder doch nicht allein. Sie wurden v. Lehrern,
Kindergärtnerinnen, der Kirche, und der Gesellschaft mit erzogen. Ist das bei
kompletten Familien anders? Ich liebte meine Kinder, und auch deshalb hatte ich
mich von meinem Mann getrennt.
Was ich erwartete, war mehr
Aufgeschlossenheit den Problemen der Alleinerziehenden gegenüber. Um es noch
mal zu betonen: Ich fühlte mich nicht
als alleinerziehend, auch nicht, als ich geschieden war.
Manchmal hätte ich die Eltern in
den sogenannten „normalen Familien“ gerne gefragt: Wie seht ihr uns?
Bemitleidet ihr uns? Oder sind wir als Frauen Freiwild? Dürfen wir zum Tanzen
gehen, ohne dass dabei zwielichtige Fragen gestellt werden? Wie sollen wir uns
verhalten? Wir sind nicht anders als Andere. Nein, wir werden zu anderen
gemacht. Dadurch sind wir eine besondere Gruppe. Psychisch Kranke oder
Alkoholiker sind ebenfalls eine besondere Gruppe.
Nun werden die Männer und Frauen
aus den „normalen Familien“ sagen: „So war das nicht gemeint.“ Oder: „ Es geht
mich nichts an, dass die geschieden sind. „
Ich aber fragte mich damals: Wie soll
ich meine Kinder erziehen?
Und ich kam zu der Erkenntnis:
Alleinerziehend ist der richtige Begriff.
Deprimierend? Nein, ich glaubte,
hier lag ein Ansatz zur Hoffnung. Allein? Nein, man müsste sich mehr in die
Öffentlichkeit begeben, mehr darüber erzählen, wer oder was wir sind. Wurden
früher doch viele Frauen schon von Kind auf dazu erzogen, sich im Hintergrund zu
halten? Für Mann und Kinder zu sorgen, war Bestimmung der Frau. Einige Menschen
denken heute noch so. Wenn eine Frau plötzlich aus einer Ehe ausbricht, wird das nicht gerne
gesehen.
Sie hatte einen netten Mann. Er
ging jeden Tag zur Arbeit, und versorgte seine Familie. Er hat nicht getrunken,
und seine Frau nicht geschlagen. Die öffentliche Meinung bildet also die
besonderen Gruppen, und die Kirche schließt sich an? Ich wollte als
Alleinerziehende nicht zum Angehörigen einer bestimmten Gruppe abgestempelt
werden. Ich verlangte auch von kirchlichen Einrichtungen den uns zustehenden
Respekt. Die meisten von uns hatten ihren Weg selbst gewählt. Im Gegensatz zu
vielen Eltern in Normalfamilien, bei denen vom guten Einverständnis nur eine
bröckelnde Fassade übrig geblieben war.
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