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Lieben
Sie Autobiographien, liebe Leserinnen und Leser? Dann bietet Ihnen
dieses Buch etwas ganz Besonderes. Nicht ein B oder C Promi hat es
geschrieben oder besser gesagt, schreiben lassen, sondern eine
alleinerziehende Mutter, die ihr Leben immer wieder ‚in den Griff‘
bekommen musste. Sie erzählt in einem einfühlsam geschriebenen Stil Ihr
Leben auf der schwäbischen Alb von der Kindheit bis heute. Sie erzählt,
wie Sie immer wieder die falschen Männer getroffen hat, wie sie manchmal
verzweifelt war und sich doch immer wieder ‚am eigenen Schopf‘ aus
allen Tiefen des Lebens gezogen hat. Sie beschreibt auch die glücklichen
Stunden, Tage und Monate Ihres Lebens und der Leser bzw. die Leserin
‚erlebt‘ förmlich mit. Das Buch richtet sich vornehmlich an alle
alleinerziehenden Frauen und Männer aber auch an alle Freunde von
Biographien, die genug haben von den erfundenen Geschichten, die
Ghostwriter unseren mehr oder weniger prominenten Zeitgenossen
angedichtet haben. Dieses Buch hat das Leben geschrieben und die Autorin hat es auf wunderbare Weise zu Papier gebracht.
ISBN: 978-1979749534
Preis TB: 12,90€ ISBN: 978-1979749534
Preis E-book: 2,99
Ich war noch niemals in New York
Smart und Nett Münchner Bücherschau
Weihnachten in meiner Kindheit
Auszug aus meiner Biografie: Ich war noch niemals in New York:
Der Winter hatte mit seiner ganzen Härte Einzug gehalten. Ich hasste
diese Jahreszeit. Sie brachte klamme Finger, kalte Ohren und leere
Stunden, in denen man nicht nach draußen zum Spielen gehen konnte.
Interessant wurde es erst, wenn der Nikolaus kam.
„Der Nikolaus kommt in vierundzwanzig Stunden“, hatte Mama gesagt. Da
ich die Stunden zählen wollte, hatte ich sie danach gefragt. Dumm war,
ich konnte nur bis zehn zählen.
Nun stand ich gelangweilt an einem der kleinen Fenster im Wohnzimmer.
Auf dem Glas gab es gezackte Eisblumen, deren Muster ich mit dem Finger
nachmalte, während ich meinem Bruder hinterher sah, der mit seinen
Freunden zum Schlittenfahren ging.
„Ein Mädchen zieht keine Hosen an“, auch das hatte
Mama gesagt, als ich sie gebeten hatte, mir eine Hose zu kaufen, da es
mir im Rock zu kalt zum Schlittenfahren war. Danach war sie zum Arbeiten
gegangen und hatte mich mit Opa allein gelassen, wie jeden Tag.
Meine Mama war lieb, aber manchmal verstand ich sie nicht. Ich
vermutete, auch Tante Mathilde, die Schwester meines Großvaters, die in
der Wohnung nebenan wohnte, würde das nicht gefallen. Obwohl sie den
ganzen Tag in einem Sessel saß und nichts arbeitete, wie Mama sagte,
hatte sie vielleicht eine Ahnung davon, wie man sich als Mädchen zu
benehmen hatte. Weshalb sie aber dem Onkel Hans, ihrem Sohn, als er ein
kleiner Junge war, Röcke angezogen hatte, verstand ich nicht. Mama hatte
es mir erzählt, es war mir verboten, das jemals zu erwähnen.
Wie auch immer, ich hatte Tante Mathilde nie in einer langen Hose
gesehen. Sie trug bunte Kittelschürzen und hatte einen Zopf, den sie
sich hinten am
Kopf mit Klammern feststeckte, sodass er aussah,
wie eine Schnecke. Tante Mathilde war anders als Mama. Sie hängte große
weiße Laken über ihren Bollerofen und spülte ihr Geschirr in der
Badewanne.
Den größten Teil des Tages verbrachte Tante Mathilde in ihrem
Wohnzimmer. Dort las sie die Tageszeitung und schrieb ab und zu ein
Gedicht, das sie bei der Zeitung einreichte. Dann wartete sie, bis Onkel
Hans von der Arbeit kam. Meistens dreht sie dabei Däumchen, und wenn
ich sie beobachtete, sagte sie: „Lieber Gott, ich bin nicht dumm, ich
kann es auch noch andersrum.“ Dann huschte ein Lächeln über ihr dickes
Gesicht, und ihre große schwarz geränderte Brille rutschte fast bis zu
ihrer roten Nasenspitze. Sie hatte zwei Söhne, den Heinz und den Hans.
Hans wohnte mit ihr zusammen. Einen Mann hatte sie nicht mehr, der war
mit nur einem Bein vom Krieg heimgekommen und bald danach gestorben.
Mama hatte gesagt, sie wäre auch gestorben, wenn sie mit Tante Mathilde
verheiratet gewesen wäre. Mama mochte Tante Mathilde nicht besonders
gern, vielleicht weil sie so faul war.
Die Uhr der gegenüberliegenden Kirche schlug sechsmal. Opa kam aus der
Küche, zwischen seinen Lippen steckte eine dicke, qualmende, stinkende
Zigarre. „Morgen kommt der Nikolaus“, sagte er und lächelte schief. Die
Zigarre wippte zwischen seinen Lippen auf und ab, während er redete.
Asche fiel auf den Boden. Er bückte sich, um sie wegzuwischen, dann sah
er mich erwartungsvoll an.
Ich wusste, er würde wieder den großen braunen Mantel, die rote
Nikolausmütze, den struppigen weißen Bart und die alten braun-glänzenden
Stiefel überziehen. Erst kürzlich hatte ich das alles in seinem Zimmer liegen sehen. „Der Opa ist der Nikolaus“, hatte Mama mir verraten. Nun hatten wir ein Geheimnis, das weder der Opa noch Bernd teilten. Darauf war ich stolz. Opa
war Tante Mathildes Bruder. Ich glaube, er mochte sie auch nicht, aber
sie war nun mal da, sie war immer da gewesen, auch als Oma noch lebte.
Oma war schon vor meiner Geburt gestorben, mir wurde gesagt, ich habe ihre braunen Augen und ihre Nase geerbt. „Sie
hat immer versucht, die Familie zusammenzuhalten“, hatte Mami gesagt.
Das konnte ich zwar nicht verstehen, aber ich verstand, dass auch sie
unter Tante Mathildes Verhalten gelitten hatte. Oma lieh sich eines
Tages einen Schirm von Tante Mathilde aus und nahm ihn mit in die Stadt. Als
es zu regnen begann und sie den Schirm aufspannte, prasselte ein Pfund
gekochter Nudeln heraus, sie verklebten Omas Haare und setzten sich in
ihrem Mantel fest. Oma, die sich in Gesellschaft befand, blieb nichts
anderes übrig, als sich zu entschuldigen und nach Hause zu gehen. Mama
hatte sich nie etwas von Tante Mathilde ausgeliehen. Mama war sehr
ordentlich. Vielleicht war es auch so, dass Tante Mathilde den ganzen
Tag neben ihrem Bollerofen saß, weil es ihr kalt war. Das Haus, in dem
wir wohnten, war alt und es zog aus allen Ecken. Ich schlief in einem
Schlafzimmer mit meiner Mutter und hatte dabei im Winter Handschuhe an
und eine Mütze auf. Nun ging ich auf die eine Toilette, die uns allen
gehörte. Dazu musste ich in den eiskalten Flur hinaus. Tante Mathilde
saß auf der Schüssel, ich hörte es, sie schnaufte laut.
Ich musste lange warten, bis sie wieder herauskam. Darum schlich ich
mich heimlich in ihre Wohnung und sah mir die Badewanne an, in der sich
das schmutzige Geschirr stapelte. Es war ein faszinierender Anblick.
Wir hatten in unserer Küche einen kleinen Zuber, in dem wir einmal in
der Woche badeten, nachdem Mama das Wasser auf dem Herd heiß gemacht
hatte. Tante Mathilde dagegen hatte eine richtige Badewanne und benutzte
sie für das Geschirr. Ich konnte das nicht begreifen.
Später kam Bernd vom Schlittenfahren zurück. Seine Hose war zerrissen
und sein Stiefel hatte ein Loch. Ich wusste, der Nikolaus würde ihn
morgen für sein Vergehen vermöbeln. Es war gut, ein Mädchen zu sein.
Sicher war Weihnachten das schönste Ereignis im Winter. Wenn
das Christkind kam, saßen wir in der beheizten Stube, der Bollerofen
verbreitete wohlige Wärme und die Wachskerzen am Baum brannten hell.
Meine neue Puppe saß unter dem Baum und starrte mich mit ihren blauen,
weit aufgerissenen Augen an. Die schwarz glänzende Dampflok meines
Bruders drehte ihre Runden auf den glitzernden Schienen um den
Weihnachtsbaum. Opa bekam Socken und Zigarren, Mama sang
Weihnachtslieder und erzählte uns die Geschichte von Jesu Geburt. Mama
war eine gute Geschichtenerzählerin und bekam dafür jedes Jahr kölnisch
Wasser als Geschenk.Tante Mathilde und Onkel Hans kamen, wünschten uns
ein schönes Fest und holten sich ihre Geschenke ab. Nun durften wir auch
in die geputzte Stube von Tante Mathilde kommen. Die
Laken waren verschwunden, ein winziger Weihnachtsbaum stand in der
Ecke. Daneben stand der braune Radioapparat. Freddy Quinn sang von einem
großen Schiff, auf dem das Christkind übers Meer fuhr. Mama zog die
Augenbrauen hoch. Eine
steile Falte bildete sich auf ihrer Stirn. Freddys Lieder gefielen ihr
nicht. Opa zog an seiner Zigarre, sah seine Schwester teilnahmslos an
und trank einen Schluck Bier mit seinem Neffen Hans.„Nehmt euch doch ein
paar Plätzchen, die bekommt ihr nicht jeden Tag“, sagte Tante Mathilde
und deutete auf den Teller, der auf dem Tisch stand. Wir wussten, Hans hatte sie gebacken. Hans konnte alles. Hans tat alles. Er
musste seine Mutter sehr lieb haben. Er putzte die Wohnung, wenn er von
der Arbeit kam, spülte das Geschirr in der Badewanne weg und wusch die
Laken, die danach über dem Ofen hingen. Am Wochenende machte er Ausflüge
mit seiner Mama. Bernd war das egal. Er sah nur die Plätzchen. Schnell
stopfte er sich ein paar davon in den Mund. Opa bekam Socken, Mama
kölnisch Wasser und wir Kinder ein paar Stofftaschentücher.
„Was macht Heinz?“, fragte meine Mutter Tante Mathilde. Über Tante
Mathildes Gesicht huschte ein Schatten. „Heinz ist mit seiner Frau
verreist“, antwortete sie. Heinz war ihr ältester Sohn. Von ihm wurde
nicht viel geredet. Er hatte sich vor ein paar Jahren verheiratet, war
ausgezogen und lebte sein eigenes Leben.„Deine Schwester begreift nicht,
dass das der Lauf der Dinge ist, man kann seine Kinder nicht ewig bei
sich behalten“, sagte Mutti zu Opa. Und Opa antwortete: „Hans ist eben ein Muttersöhnchen.“ Ich wusste nicht, was die Erwachsenen damit meinten. Ich würde bestimmt bei meiner Mutti bleiben. Meinen Bruder würden sie vielleicht nicht
behalten wollen, er stellte immer etwas an. Entweder er kam mit
zerrissenen Hosen an, oder er tappte in die Kehrschaufel, sodass der
Dreck über den Boden zerstreut war und Mama noch einmal putzen musste.
Im Sommer war er beinahe unter ein Auto gekommen, und das alles nur,
weil er mit mir die Hauptstraße überqueren wollte, um einen Ausflug in
den Wald zu machen.Onkel Heinz war ein lustiger Bursche. Er hatte keine
Ähnlichkeit mit seinem Bruder Hans. Vor einiger Zeit war er auf den
höchsten Kamin der Stadt gestiegen, um
sich dort fotografieren zu lassen. Tante Mathilde hatte das gar nicht
gefallen. Und nun war er auch an Weihnachten nicht da. Nachdem die
Erwachsenen sich einige Zeit unterhalten und mein Bruder den
Plätzchenteller abgeräumt hatte, gingen wir wieder in unsere Wohnung
zurück.Dort stellte ich Mama die Frage, die mir schon lange auf den
Lippen brannte: „Mama,
warum hängt die Tante Laken über den Ofen?“ Mama und Opa begannen laut
zu lachen. Und wieder einmal waren die Erwachsenen für mich ein Buch mit
sieben Siegeln.
„Das sind doch ihre Unterhosen“, gluckste meine Mutter, als sie wieder zu Atem kam. Ich
konnte mir nicht vorstellen, dass ein Mensch Unterhosen mit solchen
Ausmaßen trug. Tante Mathilde hatte Laken über dem Ofen. Sie musste
Laken über dem Ofen haben. Ich
verstand nicht, was daran lustig war. Vielleicht war Tante Mathilde zu
dick für die Badewanne. Stellte sie deshalb ihr Geschirr hinein? Onkel
Hans brauchte ja nicht zu baden, er war den ganzen Tag beim Arbeiten.
Doch es war Weihnachten und wir durften länger aufbleiben. Ich setzte
mich auf den Boden und begann, mit meiner Puppe zu spielen. Bernd setzte
seine Eisenbahn in Bewegung. Meine Puppe bekam gerade Besuch von ihrem
Nachbarn, dem Teddybären, als mein Bruder über die Eisenbahnschienen
hüpfte und geradewegs im Christbaum landete. Bernd
und Baum verhedderten sich zu einem undurchdringlichen schreienden
Bündel. Opa und Mama schrien mit. Scherben von Glaskugeln, Lametta und
Tannennadeln prasselten auf den sauber geputzten Boden. Ich
saß staunend daneben und hielt meine Puppe fest. Schimpfend zog Opa
meinen Bruder aus dem Gewirr, wischte ihm die Tannennadeln von Pulli und
Hose und versetzte ihm einen Klaps auf den Po. Dann stellte er mit Mama
zusammen den Baum wieder auf. Mama holte Kehrschaufel, Besen, Schrubber
und Lappen und begann, den Boden zu putzen. Es klopfte an der Tür. Tante
Mathilde steckte den Kopf herein. „Ist etwas passiert?“, fragte
sie.„Das siehst du ja“, sagte Mama. Sie war mürrisch, sie war
aufgebracht. Wenn sie so war, dann redete man am besten nicht mit
ihr.Tante Mathilde schien das nicht zu wissen. „Kann ich dir helfen?“,
fragte sie, während sie sich langsam in Richtung Flur zurückzog.„Nein danke“, murmelte Mama mit zusammengepressten Lippen. Als Tante Mathilde die Tür hinter sich geschlossen hatte, klatschte Mama den nassen Lappen dagegen.
Ich zuckte erschrocken zusammen. Mama hätte Tante Mathilde zweifellos
den Lappen an den Kopf geworfen, wenn sie noch einmal gekommen wäre. Aber
sie kam nicht mehr. Mama sagte, das sei typisch für sie. Sobald es
irgendwo Arbeit gäbe, würde sie sich verziehen. Außerdem sei es sehr
komisch, dass Tante Mathilde immer Schwindelanfälle und
Kreislaufstörungen bekomme, wenn Hans einmal für zwei Tage allein weg
wollte.
In der folgenden Zeit sahen wir uns nicht oft. Dabei hätte ich Tante
Mathilde gerne gefragt, ob sie einen Jungen wie meinen Bruder, der immer
etwas anstellte, auch behalten hätte. Onkel Hans war als Kind bestimmt
nie in den Christbaum gefallen, mit Löchern in der Hose nach Hause
gekommen und in die Kehrschaufel getreten. Ich konnte mir auch nicht
vorstellen, dass Bernd später einmal behalten werden würde. Und außerdem
fragte ich mich, ob mein Opa wohl behalten werden würde. Aber wie auch
immer, eines stand für mich fest: Wie Tante Mathilde wollte ich auch
nicht aussehen, wenn ich groß war.Kiel und Feder Verlag: Der Taugenichts...meine Erlebnisse mit meinem Vater
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